Experimenteller Rückkehr zum Mittelformat mit Mamiya RB67

Obwohl Ich mir ganzjährig Wünsche erfülle, habe ich mir eine Woche vor Weihnachten einen schon länger keimenden, kleinen Wunsch erfüllt, nämlich die Rückkehr zum Mittelformat.

2021 hatte ich noch eine Mamiya M645, die mich auch ziemlich begeistert hatte. Allerdings stellten sich einige Unzufriedenheiten (6x4,5cm Negative waren mir zu klein, Fotos im Hochformat so gut wie nicht möglich) ein und ich beschloss das gute Stück zu verkaufen. Beim Verkauf stellte sich heraus, dass von einem der Vorbesitzer an der Mattscheibe der Kamera herumgepfuscht worden war, was die Fokussierprobleme erklärte. Dennoch konnte ich sie problemlos an einen Händler verkaufen und nun bereitet sie hoffentlich, in vollständigem Zustand, jemand Anderem große Freude.

Ein Jahr später juckte es doch ganz arg in den Fingern, wieder ins hochwertige Mittelformat einzusteigen und die Recherche begann. Aus einer E-Mailkonversation, die ich vor einiger Zeit mit jemanden führte, der diesen Blog hier mitgelesen hatte, kam damals die Empfehlung zur Mamiya RB67.

Und so ergab es sich, dass nun eine Mamiya RB67 Professional-S die Krönung meiner Sammlung analoger Kameras ist.

Die Mamiya RB67 Professional-S mit 127mm-Objektiv, Lichtschachtsucher und Rollfilm-120-Magazin. Alle cyanfarbenen Objekte sind 3D-Drucke; in diesem Fall ein selbstgebautes Rückteil für Instax Mini Sofortbilder und Spulen für die Aufnahme von 35mm-Filmen. Im Vordergrund ein zerlegtes Rollfilm-120-Magazin.

Ein Mamiya Sekor C 127mm f3,8 Objektiv mit eingebautem mechanischem Verschluss. Die zusammengestauchte Gegenlichtblende verdeckt teilweise die DoF-Hilfe.

Der Name vom vermeintlichen Vorbesitzer und Fotofreund Pit Theiß ist im Rollfilmmagazin verewigt.

Das Tolle an der Mamiya ist, dass sie mich zurück zum Experimentieren gebracht hat. Dank des Internets und des 3D-Druckers hatte ich großen Spaß daran, weitere Möglichkeiten des großen Aufnahmeformats 6x7cm auszuprobieren. Das war für mich zum Einen der Versuch, Panoramen auf 35mm-Film festzuhalten und daneben Sofortbilder mittels eines selbstgebauten Fujifilm Instax Mini Kamera-Rückteils zu schießen.

Dank meines 3D-Druckers und fertiger 3D-Modelle aus dem Internet waren beide Vorhaben sehr schnell während der Weihnachtsfeiertage umgesetzt und bereiteten sehr viel Freude. Die 35mm-Filmhalter waren schnell ausgedruckt, ebenso der Einsatz für den Sucher.

Blick durch den Sucher mit eingesetzter Maske für 35mm-Film auf die Drei 3D-Druck Filmhalter.

Die 3D-Modelle zu den Spulen gibt es hier: https://www.thingiverse.com/thing:323120

Das 3D-Modell der 35mm-Maske auf dem Sucher gibt es hier: https://www.thingiverse.com/thing:4752873

Kleine 35mm Panoramen

Als Motive dienten mir zum einen meine geliebte IBM Correcting Selectric II, zu der ich schon lange ein Video drehen wollte, aber bisher über die Vorbereitung nicht hinausgekommen bin.

Profil der Schreibmaschine

Nahaufnahme der Tasten.

Nahaufnahme des eingesetzten Typenballs.

Ein glücklicher Unfall einer Mehrfachbelichtung.

Rückansicht der Schreibmaschine.

Nahaufnahme mehrere Typenbälle in einem Kasten.

Nahaufnahme eines ausgebauten Typenballs für Courier 72.

Als Zweites Motiv diente mir eine vor einigen Wochen von einem Arbeitskollegen überlassene Seidel & Naumann Ideal B Schreibmaschine, die inzwischen über 100 Jahre alt ist. Die Maschine ist sehr stark verstaubt und verschmutzt. Ich habe mich in der Zwischenzeit daran gemacht, sie wieder gangbar zu machen. Sämtliche Betriebsstoffe sind verharzt und verschmutzt, aber sie ist mittlerweile wieder beweglicher. Ob ich sie allerdings vollständig vom Schmutz befreien kann, bleibt ein Rätsel. Dafür müsste ich die Maschine wohl in einem Bad aus Waschbenzin versenken.

Das Bild wirkt dank der (ungewollten) Überbelichtung ziemlich authentisch!

Der Schriftzug der unrestaurierten Maschine.

Seitenansicht von Links.

Hinteransicht. Leider kann ich noch nichts genaueres zur sichtbaren Mechanik sagen.

Instax Mini

Eine der herausragenden Eigenschaften der RB67 ist die Möglichkeiten, unterschiedliche Aufnahmeformate mit der Kamera zu nutzen. Durch den modularen Aufbau ist das filmtragende Rückteil auswechselbar an der Kamera befestigt. So gibt es Magazine für Rollfilm 120, Rollfilm 220, Planarfilm, Polaroid und seit neuster Zeit auch 3D-gedruckte Rückteile für andere Filme. Einige solcher Rückteile werden für den Fujifilm Instax Mini Sofortbildfilm angeboten - allerdings zu horrenden Preisen!

Aber das Internet und die Makerszene wären nicht eben solche, wenn es nicht Helden gäbe, die sich die Mühe machen und Entwürfe zur freien Verfügung stellen.

In diversen YouTube-Videos findet man Tests der kommerziellen, in Manufaktur hergestellten Instax-Mini-Rückteile, die vielversprechend aussehen. Aber ich war und bin nicht bereit über 400€ dafür auszugeben.

Nach Einsatz all meiner Internetsuchfähigkeiten bin ich tatsächlich an die 3D-Modelle für das Rückteil aus diesem Video gelangt: https://www.youtube.com/watch?v=OhTiAEhh5-0

Das 3D-Modell findet sich hier, es ist öffentlich abrufbar: https://www.tinkercad.com/things/jvpqWTvOzmL

Mit dem Ausdruck der 3D-Teile ist es allerdings nicht getan! Die Teile sind nämlich nur ein Gehäuse für die Mechanik einer Instax Mini-Kamera, die dafür zerlegt werden muss. Also stiefelte ich am 23.12.2022 in den gut gefüllten, hiesigen Markt für Media und kam mit einer Fujifilm Instax Mini 40 sowie Zwei Doppelpackungen Instax Mini Filmen zurück.

Daheim angekommen ging es sofort daran, die Kamera auseinander zu nehmen. Rückblickend gab es Drei Dinge, die mir im Gedächtnis geblieben sind:

  1. Die überraschend gute Bildqualität des einzigen Testfotos.
  2. Die Enttäuschung über die ausgegeben 109€ für eine zu 95% aus Plastik bestehende Kamera mit einer Leiterplatine und einer handvoll Elektronik.
  3. Der das Zimmer erhellende Lichtblitz und ohrenbetäubende Knall des Entladungsfunken beim Kurzschließen des Blitzkondensators. Halleluja! Die Zahlen 320v und 200μF hätten mir schon - neben der beeindruckenden Größe, vergleichbar mit meinem kleinen Finger - Warnung genug sein müssen.

Deshalb mein Hinweis: Wer vorhat, so eine Instax Mini auseinanderzunehmen, sollte äußerste Vorsicht beim Blitzlichtkondensator walten lassen!

Ich bin dank meiner Ausbildung eine Elektrofachkraft und wusste, worauf ich mich einlasse. Dennoch hatte ich nicht mit dem gewaltigen Funken beim gezielten Entladen mit dem Schraubendreher gerechnet. Die Ladung des frisch aufgeladenen Kondensators hätte ausgereicht, um einen Herzstillstand zu erzeugen. Selbst eine Woche später hatte der scheinbar entladene Kondensator immer noch etwas Ladung und brachte einen - wenn auch kleinen - knallenden Funken hervor.

Deshalb äußerste Vorsicht walten und solche Arbeiten (inklusive Löten) nur von im Umgang erfahrenen Fachkräften durchführen lassen!

Die leere Hülle der Instax Mini 40.

Innenansicht der Kamerahülle. Die eigentliche Mechanik zum Transport und der Entwicklung des Filmes wurde ausgebaut. Die Linse und der Verschluss sind noch da.

Der Ausbau war überraschend einfach, da alle Komponenten mit sehr kleinen Schrauben im Plastegehäuse verschraubt waren. Ich musste die feinen Drähte vom Motor von der Platine auslöten, die anderen Verbindungen konnten gekappt werden. Der Kondensator war hierbei der eindeutig gefährlichste Aspekt.

Anschließend ging es daran sämtliches überstehende Plastik entweder abzufeilen oder abzuknipsen, so dass der Rahmen so nah wie möglich an das Durchlassfenster ins Kamerainnere kommen würde.

Anstatt zwei große AA-Batterien einzubauen, schlachtete ich eine seit Jahren defekte Mini-Spielzeugdrohne aus und moppste mir deren - Wie gerufen kommende - 3,7v-Lithium-Ion-Akkus und Anschlüsse, so dass ich eine Menge Platz im Gehäuse gewonnen habe. In der Zwischenzeit druckte der 3D-Drucker im Hintergrund die Teile aus. Die gesamte Druckzeit betrug schätzungsweise 18 Stunden. Dies aber auch nur, weil ich mit 100% Infill arbeite, was für massive und stabile Drucke sorgte.

Das fertige Rückteil mit allen 3D-Druckteilen und Modifikationen. Links das Rückteil mit den beiden Spangen, welche die Sofortbilder in Richtung Bildebene und Transport drücken. Unten ein leeres Instax-Mini-Magazin. Oben das eigentliche Rückteil. Rechts die Spange zur Kompression der Teile.

Die Seite zur Kamera mit Vier Schrauben.

Der gestutze Rahmen im 3D-Druckteil. Unten rechts hängt der Akku.

Der Rahmen und seine Mechanik im 3D-Druckteil.

Das Magazin hält die Filme bereit. Der unterste Filme wird beim Transport nach Rechts durch die Walzen entwickelt und direkt durch den Schlitz nach draußen befördert.

Zum Aktivieren des Mechanismus habe ich einen Schalter von der Drohne ausgelötet und in Serie mit dem Motor und dem Akku eingesetzt.

Zum Testen des Mechanismus musste ein Magazin mit 10 Instaxfilmen dran glauben. Die Testaufnahmen sieht man rechts im schwarzen Plastikgehäuse. Das cyanfarbene PLA, mit dem ich aktuell sämtliche Drucke erledige, stellte sich erst später als nicht-lichtdicht heraus, weshalb ich die gesamte Apparatur in Kleinarbeit mit schwarzem Gewebeband umwickeln musste.

Mit der zweiten Packung hatte ich dann den Dreh raus und konnte mit entsprechender Beleuchtung und genügend kleiner Blende gute Ergebnisse erzielen.

Die originale Instax-Kamera hat ein 60mm Objektiv mit Dauerblende f12,7 verbaut. Mit dem eingebauten Blitz und dem ISO-Wert 800 der Sofortbilder hatte die Elektronik nur noch die Aufgabe, die korrekte Verschlusszeit zu bestimmen.

Mit Blendwerten ab f8 bekam ich trotz des durch die Konstruktion bedingten Fehlfokusses gute Ergebnisse. Knackscharfe Ergebnisse wird es wegen der inkorrekten Positionierung der Filme nicht geben und man muss mittels Schärfebereich arbeiten. Hinzukommt, dass durch die kleineren Abmessungen des Instax Mini nur der linke Teil des Suchers die tatsächlich zu belichtende Bildfläche repräsentiert.

Lohn der Zwei Tage Aufwand waren die ersten guten Sofortbilder der Selectric II. Das Foto oben links entstand unter Mitwirkung meiner Mutter beim jährlichen familiären Weihnachtsbesuch, zu welcher ich die RB67 mitnahm. In Cyan sieht man einen Bildhalter für 6x7cm Aufnahmen zur Abfotografie der Negative auf der Lichtplatte.

Am Ende sind die kleinen Sofortbildchen mehr ein Gag und taugen primär als Geschenk oder Andenken. Dennoch hat mir der Bau sehr großen Spaß gemacht und die Ergebnisse können sich nach einigem Experimentieren sehen lassen. Die Gesamtkosten betragen, sofern man bereits eine RB67 und einen 3D-Drucker hat, durchaus weniger als 100€, wenn man günstig an eine schlachtbare Instax Mini Kamera kommt und bereit ist zu basteln.

Der Vorteil ist die Nutzung des RB67-Ökosystems und der hervorragenden Objektive. Der große Nachteil ist das Fehlen einer Verschlussmöglichkeit des offenliegenden, unbelichteten Instax Films. Das Rückteil lässt sich nur im Dunklen ohne Verlust des gerade offenliegenden Filmes abnehmen.

Sobald das bestellte 65mm-Objektiv ankommt, werde ich noch ein paar Weitwinkel-Aufnahmen mit den Instax-Mini-Filmen machen. Für die Zukunft ist das eine schöne Spielerei. Die RB67 hat dies durch ihre modulare Bauweise erst möglich gemacht. Eine Eigenschaft, die ich in heutigen, hochintegrierten Lösungen immer schmerzhafter vermisse. Für meine geschundene IT-Seele ist dieses rein mechanisch arbeitende Ungetier - ebenso wie die zahlreichen Kameras und Schreibmaschinen, die ich in den letzten Monaten zuhause angehäuft habe - ein ausgleichendes, sinnliches und haptisches Spektakel.

Scherzhafterweise könnte man bei der RB67 durch die Modularität an das Schiff des Theseus denken:

Wenn das Objektiv, der Sucher und das Rückteil von anderen Kameras stammt, kann man dann immer noch von der selben RB67 sprechen?